Folge 8

Klimaschutzziele erreichen – Technologieoffenheit vs. Technologieklarheit

„Der Slogan ist das eine, die praktische Umsetzung allerdings ganz was anderes. Der Pfad ist der richtige, er muss nur schnell beschritten werden.“

Herzlich willkommen zu „Querverlinkt - Technik über dem Tellerrand“! Nach unserem letzten Podcast hatten wir euch für heute eigentlich nochmal das Thema Digitalisierung versprochen. Dazu gibt es eine kleine Planänderung, aber natürlich mit einem nicht minder spannenden Thema. Und aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das Thema Digitalisierung ist natürlich noch auf unserer Roadmap und wird auf jeden Fall nachgeholt. Heute sprechen wir über den deutschen Klimaschutzplan 2050, aber wie immer natürlich aus technischer Sicht. Wir stellen uns die Frage, ob Technologieoffenheit nur als Ausrede für die eigene Strategieunfähigkeit missbraucht wird oder ob sie uns an dieser Stelle maßgeblich weiterbringen wird. Dazu begrüßen wir heute den Gründer, Dr. Martin Schichtel, der nach acht Jahren Forschung 2014 das Unternehmen Kraftblock gegründet hat.

Ein Top-Zukunftsthema, spannende Unterhaltung!

Transkription

Thomas Sinnwell: Hallo zusammen! In der heutigen Podcast-Folge schauen wir mal wieder etwas weiter über den consistec-Technik-Tellerrand und begeben uns in das spannende Feld der Energiewende. Im Rahmen von einigen Diskussionen zur Energiewende ist mir die Begrifflichkeit Technologieoffenheit begegnet. Das hat sich für mich jetzt erstmal durchweg positiv angehört. Dann im Handelsblatt ist mir eine Äußerung des neuen Audi-Chefs, von Markus Duesmann, aufgefallen. Und er sagt: Wir brauchen Technologieklarheit statt Technologieoffenheit. Naja, das war dann letztendlich so die Geburtsstunde für diesen Podcast. Wir werden heute der Frage nachgehen, was wir denn zum Erreichen des Klimaschutzziels 2050 brauchen. Technologieoffenheit oder Technologieklarheit? Zur Klärung dieser Frage habe ich mir einen äußerst kompetenten Gast eingeladen, den CEO von Kraftblock, Dr. Martin Schichtel. Herzlich willkommen, Martin! Sei bitte so nett, stell dich kurz unseren Zuhörern vor und berichte ein bisschen was zu Kraftblock.

Dr. Martin Schichtel: Ja, vielen Dank, Thomas! Schön, dass ich hier sein kann und freut mich sehr, auch über dieses Thema zu sprechen. Technologieoffenheit ist ein superwichtiger Punkt. Ich bin Martin Schichtel, von der Ausbildung her Chemiker, habe viel in Nanotechnologie gemacht, viel Technologie entwickelt in meinem Leben und habe dann letztendlich 2014 Krafblock gegründet. Bei Kraftblock beschäftigen wir uns auch mit dem Thema Energiewende. Wir stellen Hochtemperatur-Wärmespeicher-Systeme her, die helfen sollen, insbesondere Industrie, aber auch andere Sektoren zu dekarbonisieren.

Thomas Sinnwell: Vielen Dank, Martin! Wir kommen später noch mal auf Kraftblock zu sprechen. Ich finde das ganz spannend auch, noch ein bisschen mehr darüber zu erfahren, wie ihr euch im Rahmen der Energiewende positioniert. Starten würde ich ganz gerne so im Dezember 2015. Da gab‘s ja letztendlich in Paris das erste Klimaschutzabkommen, in dem sich die Weltgemeinschaft völkerrechtlich verbindlich dazu verpflichtet hat, die Erderwärmung auf 1,5 Grad über dem Niveau vor der Industriezeit zu begrenzen. Hintergrund waren einfach die CO2-Emissionen. Und du bist der Chemiker, aber ich versuche das jetzt mal wiederzugeben. Diese CO2-Moleküle haben ja die Eigenschaft, dass sie in bestimmten Spektralbereich, im Infrarotbereich absorbieren. Und das führt dazu, dass letztendlich die Wärme der Erde nicht ungehindert ins Weltall abstrahlen kann, was dann zur Erderwärmung führt. Was können wir denn in Deutschland tun, um das Klimaschutzziel zu erreichen? Mal abgesehen davon, einen totalen Lockdown einzuführen.

Dr. Martin Schichtel: Ja, totaler Lockdown, ein absoluter Reset wäre natürlich das Nonplusultra, was wir machen könnten, gar keine Frage. Letztendlich kann Deutschland einiges tun, weil wir sowohl technologisch gut aufgestellt sind als auch finanziell gut ausgestattet sind. Da gibt’s einige Länder weltweit, die sich das nicht leisten könnten, was wir uns leisten können oder leisten sollten am Ende auch. Unterm Strich muss aber die komplette Welt zusammenarbeiten, dass wir dieses 1,5-Grad-Ziel erreichen. Das ist nicht nur Deutschland, wir haben die USA, wir haben China, wir haben Indien, selbst Australien, jedes Land hat irgendwo einen CO2-Fußabdruck. Und die in der technologischen Entwicklung, ich will nicht sagen, rückständiger sind, aber noch deutlich aufholen müssen, setzen natürlich auf alte Produktionstechnologien, die immer noch viel CO2 ausstoßen. Und diesen CO2-Auslöser generell, Ausstoß von Treibhausgasen, müssen wir in irgendeiner Form runterbringen, um auf dieses Ziel 1,5 Grad oder wie es aktuell ist, weniger als 2 Grad, deutlich weniger als 2 Grad, zu kommen.

Thomas Sinnwell: Jetzt hast du ja angesprochen, das ist eigentlich eine weltweite Aufgabe, das wird auch ganz gerne als Argument genommen von einigen Playern in Deutschland zu sagen, was sollen wir uns dann hier jetzt wirtschaftlich so schwertun, uns das alles antun, unsere Erfolgsgeschichte da torpedieren, wenn links und rechts dann weiter CO2 in die Luft geblasen wird?

Dr. Martin Schichtel: Absolut richtig! Aber wie es bei allem so ist, irgendjemand muss der Vorreiter sein, irgendjemand muss den ersten Schritt in die richtige Richtung machen. Und wenn du dir einfach mal die Entwicklung von Fotovoltaik anschaust, ist ja auch in Deutschland stark gestartet. Mittlerweile über diesen Massenmarkt sind aber die Modulpreise so dermaßen stark gefallen, dass es sich eigentlich jeder leisten kann. Und ähnlich wird es mit CO2-vermeidenden Technologien oder alternativen Technologien sein, sie müssen entwickelt werden, sie müssen weiterentwickelt werden, in die breite Masse kommen, sodass sie sich jeder leisten kann. Und dann kann man auch weltweit für CO2-Vermeidung sorgen.

Thomas Sinnwell: Ich denke, da steckt ja auch eine Menge Potenzial drin für die deutsche Wirtschaft.

Dr. Martin Schichtel: Absolut!

Thomas Sinnwell: Ich meine, Innovation ist ja schon auch ein ganz starkes deutsches Thema. Und ich denke, man muss ganz einfach die Chance viel stärker sehen.

Dr. Martin Schichtel: Absolut, absolut! Man merkt’s ja auch daran, die großen Konzerne, Siemens, jetzt Siemens Energy, stellt sich ja in dem Bereich komplett neu auf, fokussieren sehr, sehr stark auf Dekarbonisierung. Ein MAN in Deutschland hat mittlerweile auch Dekarbonisierung in ihrem Slogan mit integriert. Also auch die Großindustrie hat sich Dekarbonisierung auf die Fahne geschrieben. Letztendlich ist der Slogan das eine, praktische Umsetzung ist allerdings was ganz anderes. Der Pfad ist der richtige, er muss nur halt schnell beschritten werden.

Thomas Sinnwell: Gerade in dem Kontext muss ich jetzt auch an das Thema Kernenergie denken. Und es ist ja durchaus aus meiner Sicht mal eine probate Überlegung zu sagen, naja, sollte man denn jetzt nicht von, das ganze Ruder wieder rumreißen und noch eine Zeit lang beim Thema Kernenergie bleiben? Weil, was die CO2-Bilanz betrifft, da ist schon ein gewisser Ausstoß da, wenn ich mich richtig entsinne, pro Kilowattstunde erzeugt Strom 32 Gramm, aber das letztendlich aufgrund des Uranabbaus der Produktion der Bauteile für den Bau des Meilers. Aber das ist ja eigentlich konkurrenzlos wenig.

Dr. Martin Schichtel: Definitiv. Theoretisch müsste man auch die CO2-Gestehungskosten zur Erzeugung eines Windrads sich mal genauer anschauen oder sich eine PV genauer anschauen. Ist definitiv nicht so ohne. Kernkraft ist eigentlich eine supersaubere Technologie, wenn nicht der radioaktive Abfall wäre. Man muss allerdings sagen, in der Zeit, in der Nukleartechnologie aufgebaut wurde, hat man auf Druckwasserreaktoren ähnliche Systeme aufgesetzt, die sagen wir mal technologisch etwas bedenklicher sind als alternative Produktionsvarianten, aber die wirtschaftlichste Variante der Kerntechnologie im letzten Jahrhundert letztendlich bedeutet haben. Deswegen hat man auf diese Technologie gesetzt. Problem ist, du hast die klassischen Kernbrennstäbe in diesen Reaktoren, die munter vor sich hin brennen. Man muss die Dinger kühlen, man muss wahnsinnig viel Wärme abführen. Die Gesamteffizienz ist relativ bescheiden. 20 % Strom ist unterm Strich das, was am Ende rauskommt. Alles andere ist irgendwie Abfall, aber CO2, wenn wir es so formulieren wollen. Das lässt sich natürlich verbessern. Ich muss da immer an Bill Gates denken. TerraPower unterstützt Unternehmen seit ich glaube Anfang der 2000er. Unternehmen in den USA die versuchen, neue Kernkraftwerke zu entwickeln, die auch auf eine alte Technologie setzen, die aber deutlich risikoärmer ist im Sinne von strahlungsärmer und sogenannte Salzschmelzereaktoren haben. Das heißt, du hast nicht mehr die Kernbrennstäbe, die auch durchschmelzen können und einen Super-GAU erzeugen können. Die Brennelemente sind in einer flüssigen Salzschmelze drin, die durch den Reaktor zirkuliert. Dadurch hast du eine erhöhte Sicherheit. Der andere Vorteil ist, in diesen Reaktoren kannst du existierenden Atommüll nutzen, um weiterhin Energie zu erzeugen und die Strahlung abzubauen. Das heißt, du hättest eigentlich ein System, ein evolierendes System, was sich weiterentwickelt. TerraPower geht jetzt sogar noch einen Schritt weiter. Die sagen, wir wollen nicht zentral ein Atomkraftwerk hinstellen, was dann, ich sag mal, Süddeutschland mit Strom versorgt, sondern wir wollen das dezentralisieren, kleine Kraftwerke regional aufbauen, die für regionale Versorgung verantwortlich sind. Ist ein supercharmanter Ansatzpunkt, CO2-seitig betrachtet. Allerdings ist Radioaktivität immer noch ein ganz anderes Thema, aber, und das fand ich ganz …

Thomas Sinnwell: Wie sieht’s denn bei diesen Reaktortypen mit der Halbwertszeit aus? Da gibt‘s ja auch schon durchaus Konzepte, die Abfallprodukte generieren mit einer deutlich kleineren Halbwertszeit.

Dr. Martin Schichtel: Ja, definitiv. Du hast bei dem klassischen Plutonium, glaube ich, eine Halbwertszeit von 24.000 Jahren, was natürlich immens hoch ist. Gibt’s durchaus andere Varianten über Kobalt, Uran und wie sie alle heißen. Du reduzierst das mehr oder weniger auch schon dadurch, dass du bereits erzeugten Brennstoff nochmal nutzt und einfach die Energie dann nochmal rausziehst. Und dadurch hast du am Ende natürlich nicht mehr so viel und reduzierst nach hinten runter. Auch dieser schwachradioaktive Müll, ich meine, jeder Putzlappen, der im Kernkraftwerk genutzt ist, ist im Prinzip radioaktiver Müll, schwachstrahlend, aber er kann strahlend sein. Deswegen muss er besonders betrachtet werden. Ist eine Geschichte für sich. Wenn du aber auf Sicherheit gehst, muss man sich mal wirklich die Zahlen auf der Zunge zergehen lassen, sind jetzt zwar ein bisschen ältere Zahlen aus dem Minus Eins Magazin, die haben einfach mal gesagt, wenn ich 10 Terawattstunden Strom produziere, 10 Terawattstunden sind 10 Milliarden Kilowattstunden, also schon wahnsinnig viel, dann habe ich für Kernkraft ungefähr einen Toten auf 10 Terawattstunden Stromproduktion. Für Kohlekraft habe ich 32 Tote für 10 Terawattstunden Stromproduktion. Kommt natürlich daher, dass auch die Randeffekte wie Staubausstoß, Rußlunge und so weiter, alles natürlich mit reinzählen. Bei der Kernkraft kommen die meisten Toten weniger durch einen Reaktorunfall, sondern durch den Abbau des Urans oder Plutoniums, was noch nicht so sauber läuft wie es denn laufen könnte. Auch hier könnte man sicherlich noch an einer Schraube drehen. Also von daher, Kernkraft ist ein superspannendes Thema. Man muss sich natürlich über die Entsorgung Gedanken machen oder das vorantreiben, aber hat durchaus Potenzial. Ich meine, auch der …

Thomas Sinnwell: Kannst du dir in Deutschland vorstellen, dass das Thema wieder hochkommt?

Dr. Martin Schichtel: Aktuell echt schwer. Ich würde es mir in einem gewissen Bereich wünschen, wünschen insofern, als dass wir vermutlich gar nicht in der Lage sind, so viel Erneuerbare auszubauen, um Deutschland mit Strom zu versorgen, wenn 2038 auch alle Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Ich meine, im Moment machen wir im Monat 50 Terawattstunden, also 50 Milliarden Kilowattstunden Strom. Davon kommen allein 30 Terrawattstunden aus konventioneller Erzeugung, der Rest aus Erneuerbaren. Wenn ich jetzt diese 30 Terawattstunden auch noch umbauen muss auf Erneuerbare, das ist ein wahnsinniger Kraftakt. Wir beziehen schon sehr, sehr viel Strom von zwar deutschen Windparks, aber die stehen in Norwegen. Es ist wirklich eine spannende Angelegenheit, ob wir das aus dieser Energieform komplett beziehen können.

Thomas Sinnwell: So der Bundestagsbeschluss zum Ausstieg aus der Kernkraft war, glaube ich, im Sommer, im Juni 2011. Und was dann ja auch anstand für die Betreiber, die vier Großen, waren Entschädigungszahlungen. Wenn ich das noch so richtig im Kopf habe, sind die Betreiber ja mittlerweile auch raus aus der Endlager-Thematik. Die mussten in einen Fonds einzahlen. Das finde ich ist auch so einen Umstand, bei dem ich mir vorstellen kann, dass der größte Aufschrei vielleicht sogar von den Ex-Betreibern oder Noch-Betreibern käme. Weil ich kann mir nicht vorstellen, dass die Lust haben, sich die Endlager-Thematik nochmal anzutun, die sie jetzt gerade erfolgreich losgeworden sind.

Dr. Martin Schichtel: Nein, vermutlich nicht. Nein. Ich weiß nicht, wie es weltweit ist, aber in Deutschland auch, glaube ich, eine relativ besondere Situation, weil der Gesetzgeber die Lagerung über eine Million Jahre sicher fordert. Da ist natürlich die Frage: Wer kann heute garantieren, ob in 600.000 Jahren die Erde an der Stelle noch sicher ist?

Thomas Sinnwell: Ja, das ist natürlich eine starke Forderung.

Dr. Martin Schichtel: Absolut, absolut! Man hat sich jetzt tatsächlich schon über die interessantesten Formen der Entsorgung von Kernbrennstoffen Gedanken gemacht. Inklusive, wir schießen die Brennstoffe mit einer Rakete ins All und entsorgen sie dort. Man denkt viel, aber eine Lösung ist, glaube ich, noch keine gefunden.

Thomas Sinnwell: Ja. Vielleicht neue Reaktortypen mit deutlich unkritischerem Abfall, das könnte natürlich sehr spannend sein.

Dr. Martin Schichtel: Ja, das wäre ein Ansatzpunkt. Ich meine, diese Thematik ist ja auch, ich glaube, Weltklimarat hat es schon mal aufgebracht, selbst Greta Thunberg hat es mal erwähnt in einer ihrer Reden. Ist dann nachher so ein bisschen zurückgerudert, weil sie gesagt hat, das war eigentlich nur ein Zitat aus dem Weltklimarat. Aber so ganz abgeschrieben haben die Klimaaktivisten das Thema scheinbar auch nicht.

Thomas Sinnwell: Jetzt auch in europäischer Nachbarschaft wird auch teilweise wieder das Ruder herumgerissen, wird gebaut.

Dr. Martin Schichtel: Absolut!

Thomas Sinnwell: Dauert natürlich alles sehr lang, bis so ein Kraftwerk steht. Und bis das dann Effekt bringt, noch länger. Und wenn man sich anschaut, wie gering doch der Anteil an Atomstrom ist im Strommix, müsste man da natürlich noch ganz gehörige Menge an Atomkraftwerken bauen und die vielleicht in deutlich kürzeren Zeiten, um da letztendlich das Klimaschutzziel noch deutlich unterstützen zu können. Aber ein anderes großes Thema ist ja die Wasserstofftechnologie.

Dr. Martin Schichtel: Ja.

Thomas Sinnwell: Wird ja auch gerade mal wieder auch von der Bundesregierung gehypt und gepusht. Wie siehst du das?

Dr. Martin Schichtel: Wasserstoff ist definitiv ein superspannendes Thema. Das gehört in die Klimawende mit rein. Ob diese Wasserstofftechnologie der Allheilsbringer ist, wie die Bundesregierung das momentan gerade auslobt, das bezweifele ich allerdings. Weil auch Wasserstoff muss produziert werden.

Thomas Sinnwell: Genau. Und dann sollte es ja natürlich auch grün produziert werden können.

Dr. Martin Schichtel: Genau. Und sollte grün produziert werden. Das heißt, ich brauche ganz viel grünen Strom, um diesen Wasserstoff herzustellen. Ich brauche auch wahnsinnig viel Wasser, um diesen Wasserstoff herzustellen. Auch ein wertvoller Rohstoff, der in Zukunft wohl einer gewissen Verknappung unterliegen wird. Von daher ist es fraglich, ob jemals so viel Wasserstoff hergestellt werden könnte, um die Stahlindustrie, die Wärmeerzeugung, den Mobilitätssektor, die chemische Industrie, Grundstoffindustrie, entsprechend mit Wasserstoff zu dekarbonisieren. Plus natürlich auch die Frage der Kosten. Weil Wasserstoff erzeugen ist nicht die günstigste Technologie, ist nicht die effizienteste Technologie. Sind noch viele, viele Fragezeichen.

Thomas Sinnwell: Genau. Dann kommen wir ja auch nahtlos eigentlich zu unserem Thema, Technologieklarheit versus Technologieoffenheit. Und nachdem, was ich bisher so von dir gehört habe, ist es ja schon ein Satz von Technologien, die einen sinnvollen Beitrag leisten können zur Erreichung des Klimaschutzziels. Was natürlich dann damit einhergeht, dass ich auch eine gewisse Technologieoffenheit brauche und nicht allzu früh im Prozess schon eine Priorisierung durchführe.

Dr. Martin Schichtel: Ja.

Thomas Sinnwell: Stichwort Priorisierung oder Positionierung, wie positioniert sich denn Kraftblock im Thema Energiewende?

Dr. Martin Schichtel: Wir sagen tatsächlich sogar, wir sind ein technologieoffenes System. Unser Hochtemperaturwärmespeicher ist ja primär dazu da, irgendeine Energieform zu speichern. Das kann jetzt Abwärme sein, die ich aus irgendwelchen Industrieprozessen bekomme. Das könnte aber auch Strom sein, auch aus erneuerbaren Quellen, da schalte ich quasi so eine Art Föhn dazwischen, ein Heißluftgebläse wandelt Strom in Wärme um, speichert die Wärme, um sie anschließend nutzbar zu machen. Das sehen wir als eine gewisse Technologieoffenheit an, weil die Quelle zunächst mal egal ist. Nach dem Kraftblock muss ich natürlich eine Energieverwendung installieren. Auch hier sagen wir, wir bleiben offen, weil wir können die Wärme in Strom konvertieren, über eine Dampfturbine zum Beispiel, im großen Maßstab.

Thomas Sinnwell: Da kann ich natürlich auch durchaus Teile konventioneller Kraftwerke weiterverwenden.

Dr. Martin Schichtel: Genau. Das ist auch in Deutschland ein Weg, wo Deutschland eine gewisse Vorreiterrolle hat. Das Stichwort ist, sogenannte Speicherkraftwerke. Zu sagen, ich habe ein konventionelles Kohlekraftwerk, das muss ich 2038 abschalten, lasst uns diese Kohlebrennkammer abbauen und gegen einen thermischen Speicher ersetzen, der über einen Heißluft-Föhn mehr oder weniger über erneuerbare oder über Überschussstrom gespeist wird. Nutzt aber die Bestandsinfrastruktur des Kraftwerkes. Also sprich, die Turbine, den Generator, die Netzanbindung, das Fernwärmesystem, um quasi auch die Laufzeiten dieser bereits existierenden Infrastruktur noch mal zu verlängern und sinnvoll zu nutzen.

Thomas Sinnwell: Das ist ja superspannend.

Dr. Martin Schichtel: Wenn in Deutschland diese Technologie entwickelt werden könnte und umgesetzt werden könnte ist da natürlich auch weltweit ein Riesenpotenzial. Ich glaube, weltweit haben wir momentan knapp 7000 Kohlekraftwerke am Laufen. Rein statistisch heißt das, dass China alle zwei Wochen ein neues Kohlekraftwerk baut. Also der Bau der Kohlekraftwerke ist noch nicht am Ende. Und wenn die im Laufe der Zeit alle umgerüstet werden könnten... superspannendes Geschäftsfeld.

Thomas Sinnwell: Absolut! Und natürlich auch für euch eine ganz tolle Geschichte.

Dr. Martin Schichtel: Ja, ja, genau. Wir hatten dann, wo wir bei Technologieoffenheit waren, diesen Weg nach hinten raus Stromproduktion, eine Variante. Ich kann aber auch die Wärme direkt nutzen, um Prozesse mit Wärme zu versorgen oder auch in Fern- oder in Nahwärmenetze reinzugehen. Oder auch in ganz andere Richtungen, Kälte daraus zu erzeugen oder Druckluft daraus zu erzeugen. Diese Schnittstellen vor und nach dem Speicher, die sind alle vorhanden, man muss nur intelligent zusammenstückeln, um am Ende eine vernünftige Anwendung zu haben.

Thomas Sinnwell: Aber das müsste doch auch für den Industriebereich hochspannend sein, weil da wird ja auch viel Wärme erzeugt, viel Abwärme, die dann äußerst sinnvoll genutzt werden könnte.

Dr. Martin Schichtel: Genau. Das ist durchaus auch so, zumal wir an einen Teil des Abgassystems ran wollen, an das noch keiner vorher rangegangen ist, weil dort eine extrem hohe Temperatur herrscht. Was andere Speichersysteme einfach nicht können oder was sie von den Umgebungsbedingungen her nicht abkönnen. Wir haben unser System aber genau darauf abgestimmt. Und du hast im Prinzip die stahlerzeugende Industrie, metallverarbeitende Industrie, Keramik, Glas, theoretisch sogar Zementindustrie. Theoretisch deswegen, weil die Zementindustrie ein wahnsinnig staubhaltiges Abgas hat und eine Reinigung schwierig ist, aber nicht unmöglich. Das ist nur nicht ganz so einfach umzusetzen wie die anderen Technologieformen. Und dort könntest du was tun, was wir als Energie-Recycling bezeichnen, anstatt die Abwärme zu nehmen, wie in der Keramikindustrie. Ich habe einen Ofen, der brennt bei 1300 Grad, heißt ja auch, dass das Abgas hinter dem Ofen diese Temperatur hat. Jetzt geht man aktuell hin und gibt kalte Luft dazu, um das runter zu kühlen, damit anschließend die Rauchgasreinigung gemacht werden kann. Das heißt, zwischen Ofen und Rauchgasreinigung ist ein riesiger Energieverlust. In vielen Fällen. Moderne Anlagen, die haben einen sogenannten Rekuperator schon drin, der nutzt einen Teil schon, aber bei weitem nicht alles. Da ist noch sehr, sehr viel Potenzial. Wenn es dir gelingt, diese Energie aufzufangen und entweder im gleichen Prozess noch mal zur Verfügung zu stellen oder sogar abgestuft in verschiedene andere Prozesse reinzugehen, kannst du natürlich schon pro Unternehmen 25 %, 30 % primär Energieersparnis bringen, plus …

Thomas Sinnwell: Das ist ja eine gigantische Hausnummer.

Dr. Martin Schichtel: … CO2-Ersparnis. Da ist einiges machbar.

Thomas Sinnwell: Ja, das ist ja absolut spannend. Ich habe ja auch verfolgen können, dass ihr auch an den Markt rankommt, dass das ja auch auf ein großes Interesse stößt. Was bremst euch denn aus?

Dr. Martin Schichtel: Verschiedene Punkte. Deutschland ist für uns ganz speziell, weil wir dachten, wunderbar, Technologieland, ganz viele Ingenieure, die wissen, was sie tun. Wir mögen neue Technologie.

Thomas Sinnwell: Ich glaube, die gibt’s. Ja.

Dr. Martin Schichtel: Wenn du dann mit so einem neuen Produkt zum Kunden kommst, das erste, was er fragt: Läuft das schon seit zehn Jahren? Existiert die Referenz? Gibt’s schon Werte? Kann ich mir sicher sein? Es gibt Referenzen und Piloten, können Sie sich gerne anschauen. Aber das ist vielen irgendwo nicht genug. Also irgendwie, es hat sich so ein Sicherheitsdenken eingeschlichen über die letzten Jahrzehnte, das ist unglaublich. Es schreit jeder nach Innovation, aber wenn sie denn kommt, wird sie erst mal kritisch hinterfragt. Was kann denn alles schiefgehen, anstatt zu schauen, was bringt‘s mir denn? Wo kann ich denn mit der Technologie hin am Ende? Auch wenn ich vielleicht ein paar Startschwierigkeiten habe, die sich aber beheben lassen. Das ist ein Punkt. Der andere Punkt ist, Energiepreis in Deutschland, Gas ist unschlagbar günstig. Wenn jetzt ein Unternehmen, was gasbefeuerte Öfen hat, sein Gas für 2, 2 ½ Cent die Kilowattstunde einkauft, auf der anderen Seite aber fordert, dass ein Prozessbestandteil sich innerhalb von drei Jahren amortisieren soll, wird es anspruchsvoll. Nicht unmöglich, aber es wird anspruchsvoll. Ein anderer Stichpunkt, Strom. Strom ist natürlich bei uns etwas teurer gegenüber Gas. Da kommt dann allerdings zum Tragen, dass genau die Industrie, die für uns spannend ist, mehr oder weniger sofern subventioniert wird, als dass die EEG-Umlage stark reduziert ist bei ihnen oder teilweise komplett entfällt, Netzentgelte teilweise komplett anfallen. Sie damit in eine, bezüglich Erneuerbarer-Energien-Gesetz, EEG-Gesetz, in eine Kategorie rutschen, wo sie auch drinbleiben wollen. Das heißt, die wollen gar nicht einsparen, weil ansonsten fallen sie drunter und dann müssen sie plötzlich diese Umlagen zahlen.

Thomas Sinnwell: Da kommt mir gerade die Frage hoch: Ist denn die Bundesregierung technologieoffen?

Dr. Martin Schichtel: Ich würde mal unterscheiden zwischen Arbeitsebene und der öffentlich auftretenden Ebene. Die Arbeitsebene ist sich durchaus bewusst, welche Technologieformen es gibt und welchen Nutzen dieses Technologieformen haben. Beispielsweise ist ja auch die deutsche Energie- Agentur „Dena“ zwischengeschaltet und von der Politik beauftragt, auch Screening zu machen, auch mit Start-ups zusammenzuarbeiten. Ein sehr, sehr guter Ansatz, wenn denn die Entscheidungsträger auch auf die dena hören würden, auf die Ausarbeitungen, die rauskommen. Es gab einen Arbeitskreis, der war superspannend. Auf der einen Seite saßen Regierungsvertreter, auf der anderen Seite Start-ups, die neue Technologien bringen, weil die Regierung auch erkannt hat, wir brauchen neue Ideen, neue Technologien, um diese Energiewende ganzheitlich stemmen zu können. Die Diskussionen waren sehr spannend, weil du hast die Ideen von Start-ups gehabt, sozusagen wir bringen PV auf jeden Balkon drauf und unterstützen damit die Stromwende, machen eine gewisse Eigenversorgung der einzelnen Haushalte. Dann hast du auf der anderen Seite Vertreter der Bundesnetzagentur sitzen gehabt, die sagen, das können wir so in der Form gar nicht machen, weil dann wird das mit dem Stromnetz wieder schwierig. Wir müssen für die Versorgungssicherheit garantieren und dadurch das Stromnetz aufrechterhalten. Und können nicht auf Autarkie einzelner Haushalte gehen. Kann ich auch irgendwo verstehen.

Thomas Sinnwell: Ja, kann ich nachvollziehen als Elektrotechniker.

Dr. Martin Schichtel: Genau. Es prallen einfach zwei große Welten aufeinander, die einen, die aus der alten Welt kommen, die anderen, die aus der neuen Welt kommen und was verändern wollen. Nur beide gleichzuschalten, dass sie die gleiche Schwingung haben und in die richtige Richtung laufen, das ist unglaublich schwierig.

Thomas Sinnwell: Normalerweise hilft da, ich sag mal, im Unternehmensalltag, wenn ich so gegenteilige Pole habe, eine moderierende Einheit dazwischen zu schalten, die dafür Sorge trägt, dass beide Welten irgendwie zueinander finden und vielleicht da eine gute Lösung entsteht. Aber die fehlt ja offensichtlich.

Dr. Martin Schichtel: Ja, die vernünftige Lösung fehlt. Wir haben in der letzten Zeit viele Diskussionen gehabt, ich war auch die Woche wieder bei der Energy Storage in Düsseldorf, auf einem Panel mit wirklich hochrangigen Vertretern der Großindustrie. Und es ging auch darum: Wie können wir denn Klimawende unterstützen? Wie können wir auch seitens Wärmemarkt die Wende unterstützen? Weil das ist so ein Markt, der wird noch ein bisschen stiefmütterlich gehandhabt im Moment. Und alle Panel-Teilnehmer waren sich wirklichen in den ersten fünf Minuten im Klaren, wir haben alle Technologien aktuell vorhanden, die wir bräuchten, um dem entgegenzuwirken. Die Regulatoren müssen angepasst werden. Also sprich, die Vorgaben des Gesetzgebers, die Einschränkungen, die es auch gibt, die müssten geöffnet werden. Da kommen wir auf dieses Stichwort Technologieoffenheit oder Technologieklarheit, wie her Duesmann es ausgedrückt hat. In der Regulatorik ist das Technologieneutralität versus Technologiespezifität. Also sie haben auch wieder ein anderes Wording, was aber letztendlich ins Gleiche reinfließt. Da versucht man Technologieneutralität zu halten, also Offenheit zu halten, legt aber immer wiederum den Fokus auf Spezifität, also auf Technologieklarheit. Man bevorzugt eine gewisse Technologieform. Und das macht‘s schwierig, um das mal ein bisschen auszuführen. Speichertechnologien sind definitiv eine wichtige Säule in einem nachhaltigen Energiesystem, auch in Deutschland. Das sagt nicht nur Bund deutscher Energiewirtschaft, das sagen nicht nur die Speicherverbände und die Technologiehersteller oder Technologiebetreiber, das sieht man weltweit so. Es gibt eine Prognose, die sagt, 2050, wenn wir denn den Klimawandel schaffen, werden wir weltweit 15.000 Terawattstunden Speicher brauchen. Unglaubliche Zahl. Aber klar, wenn der Wind nur an gewissen Tagen bläst, dann brauche ich einen Speicher, um das abzupuffern und mein Stromnetz am Laufen zu halten. Gleiches gilt für Sonne. Also ich werde einfach nicht um Speicher rumkommen, egal was ich mache.

Thomas Sinnwell: Was dann eigentlich zur Folge haben müsste, dass man sich um diese Technologiebereiche ganz massiv kümmert und auch regulatorisch die Bedingungen schafft, dass sich diese Technologie auch durchsetzen kann.

Dr. Martin Schichtel: Korrekt! Die EU hat das erkannt, Deutschland noch nicht so wirklich. Es gab jetzt gerade vor kurzem die Novelle des EEG-Gesetzes. Speicher suchst du da drin immer noch. Wobei es absolut Sinn machen würde, auch Speichertechnologien dort rein zu bringen, um einen gewissen Anreiz zu geben, die einzusetzen, eine gewisse Förderung zu machen. Klar, die Technologie einzusetzen, ähnlich wie man es bei PV und bei Wind gemacht hat vor 20 Jahren, hat ja auch funktioniert. Sowas bräuchte man für Speichertechnologien, im weitesten Sinne aktuell auch. Im Entwurf für das Energiewirtschaftsgesetz, der jetzt vorliegt, sind Speicher jetzt zumindest mal drin und sie sind definiert. Also bis vor kurzem waren Speicher noch gar nicht definiert, da stand nur Energiespeicher. Wenn du mit Vertretern der Bundesnetzagentur gesprochen hast, sind Energiespeicher immer Stromspeicher, Lithium-Akkus. Ansonsten Wasserkraftwerke, die zählen auch noch dazu. Aber alles andere ist in deren Radar gar nicht existent. Das war eine Interpretationssache. Mittlerweile ist es definiert. Man hat es aber schon wieder geschafft, eine erste Ausnahme zu machen.

Thomas Sinnwell: Die da ist?

Dr. Martin Schichtel: Das finde ich superspannend, in Deutschland machst du immer die Ausnahme von der Ausnahme von der Ausnahme in der Regulatorik, um am Ende gar nichts mehr machen zu können. Wasserstoff, grün erzeugter Wasserstoff, also wirklich erneuerbar erzeugter Wasserstoff. Darf gespeichert werden und er darf anschließend einer Verwendung zugeführt werden, egal wie sie aussieht. Also ob das jetzt in der Automobilindustrie als Treibstoff ist oder ob ich diesen Wasserstoff anschließend wieder verbrenne, um eine Dampfturbine zu betreiben oder eine Gasturbine zu betreiben, die mir Strom produziert. Vollkommen egal, du hast im Prinzip nur Abgaben auf die Stromkosten, die du brauchst, um den Wasserstoff zu erzeugen. Alles andere ist abgabenbefreit, mehr oder weniger.

Thomas Sinnwell: Aber das ist doch dann durch die Regulierung letztendlich auch eine Priorisierung von Technologie?

Dr. Martin Schichtel: Absolut! Genau.

Thomas Sinnwell: Das heißt, eigentlich keine Technologieoffenheit.

Dr. Martin Schichtel: Nein. Die Regulierung macht‘s immer wieder zu. Also die Politik zeigt sich sehr, sehr offen, erzählt auch immer, wir brauchen dies und wir brauchen jenes, jetzt müssen wir das angehen, jetzt müssen wir das angehen. Aber in der Umsetzung, in der regulatorischen Umsetzung gibt’s immer eine bevorzugte Technologie. Denken wir an die Batteriespeicher, Lithium-Ionen-Akkus. Deutschland hat die Entwicklung komplett verschlafen. Altmaier hat dann vor anderthalb Jahren gesagt, wir wollen das mit einem Milliardenbetrag fördern, Batterietechnologie aufzubauen, Produktionsunternehmen aufzubauen. Was jetzt ja auch gemacht wird. Aber der Zug ist abgefahren. Ich meine, China ist weiter, USA ist weiter. Wenn du dir anschaust, was Tesla in der nächsten Stufe an Batterieentwicklung drin hat, wir setzen jetzt schon wieder auf eine Technologie, die, sage ich mal, fünf oder zehn Jahre alt ist, bauen Fabriken, die das produzieren. Brauche ich das in Zukunft? Oder gehe ich nicht lieber auf den nächsten Technologiezug, wie sie es versuchen, mit Wasserstoff zu machen, um den nächsten Bringer aufzubauen, das nächste Zugpferd weltweit aufzubauen.

Thomas Sinnwell: Okay! Dann sind wir wieder im Kontext jetzt unserer Fragestellung durchaus wieder für ein Pro-Argument für eine Priorisierung?

Dr. Martin Schichtel: Nein! Priorisierung, es sollte keine Bevorzugung eines Systems geben, es sollte aber auch keine Diskriminierung eines anderen Systems geben. Wir, die wir uns als Player in dem Markt bewegen, sagen auch untereinander, wenn ich eine Technologieoffenheit habe und dem Kunden ermögliche, sich die Technologie sich auszusuchen, die für seinen Nutzungszweck am effizientesten ist, dann wird am Ende der Markt entscheiden, welche Technologie sich durchsetzt. Auch was die Ökonomie angeht, die dahintersteht, letztendlich.

Thomas Sinnwell: Klar!

Dr. Martin Schichtel: Das schaffe ich einfach nicht

Thomas Sinnwell: Da muss ich auch wieder an die Aussage des Audi-Chefs denken, der natürlich jetzt vor der Aufgabe steht, noch den Verbrennungsmotor weiterzuentwickeln, den Elektroantrieb voranzubringen und dann vielleicht noch den Wasserstoffantrieb. Da kann ich natürlich durchaus den Wunsch nachvollziehen, zu sagen, ich möchte priorisieren, ich kann meine Ressourcen nicht auf alles verteilen, dann wird nichts wirklich gut. Aber von Staatsseite aus müsste das schon anders sein.

Dr. Martin Schichtel: Ja.

Thomas Sinnwell: Und dann sind wir wieder beim Thema Regulierung, Rahmenbedingungen für Technologien.

Dr. Martin Schichtel: Ja genau. Diese Wettbewerbe unterschiedlicher Technologien, um irgendwas zu erreichen, hast du schon immer gehabt. Wenn du dir jetzt den Strommarkt anguckst, du hast Braunkohlekraftwerke, Wasserkraftwerke, PV, Solar, Atomkraftwerke, es gibt viele Unternehmen, die basteln an Drachen, die Strom erzeugen, oder über Segel oder sonstige Dinge. Es gibt immer wahnsinnig viele Einstiegspunkte, um irgendwas voranzubringen. Und vieles findet auch in gewissen Bereichen Anwendung. Und so müsste es eigentlich unsere Regierung auch sehen. Also wirklich sagen, die Technologie ist das, was uns weiterbringt. Eine Regulatorik bringt uns einfach nicht weiter, die kann einfach irgendwas ausschließen oder irgendwas bevorzugen, aber sie bringt uns von den Klimazielen her, in meinen Augen, nicht weiter. Sie behindert uns eher in den Klimazielen. Weil ich gewisse Dinge machen muss, weil die Regulatorik das vorgibt oder ich andere Sachen nicht machen darf. Beispiel für uns ist, wir machen es andersrum. Förderung, Subventionen, im weitesten Sinne, gehen jetzt auch …

Thomas Sinnwell: Ist natürlich auch ein wunderbares Steuerinstrument.

Dr. Martin Schichtel: Ganz, ganz klasse. Es gab oder es gibt ja und das finde ich toll, dass dieses Instrument aufgemacht wurde, die sogenannten Reallabore in der Energiewende. Reallabore, da kannst du Technologie ausprobieren, ohne dich wirklich an die Regulatorik halten zu müssen. Supergut, das sind auch riesig-große Projekte, die aufgebaut werden. In der ersten Runde Reallabore, und von den zehn Top-Projekten, die ausgelobt wurden, waren acht Wasserstoff-Projekte. Ein Projekt thermische Speicher, Deutsches Institut für Luft- und Raumfahrttechnologie und RWE, und noch eine andere Technologie. Ich weiß jetzt grad nicht mehr, welche das war. Aber da ist auch schon ganz klar, wie die Regierung oder der Fördergeber seine Priorisierung gelegt hat.

Thomas Sinnwell: Gut. Dann haben wir, denke ich, aus meiner Sicht einen ziemlich intensiven Streifzug durch verschiedene Energiethemen jetzt gemacht. Und ich würde zum Abschluss unseres Talks noch gerne auf die Kernfrage zu sprechen kommen, jetzt Technologieoffenheit oder Technologieklarheit, was ist denn da dein Schluss-Statement?

Dr. Martin Schichtel: Ich bin definitiv Verfechter von Technologieoffenheit. Was nicht zuletzt auch daran liegt, dass sich heutzutage Technologien so schnell entwickeln, dass eine regulierende Instanz gar keine Chance hat, das zu verfolgen und vernünftig zu bewerten innerhalb so kurzer Zeiträume. Das wird einfach nicht mehr gehen. Technologieoffenheit wird uns in allen Bereichen weiterbringen, ob das jetzt Klimawandel ist oder in anderen Lebensbereichen, die müssen wir uns bewahren, um auch die Chance zu haben, in Zukunft neue Technologien zu entwickeln und voranzubringen.

Thomas Sinnwell: Würde ich mich vollkommen anschließen und vielleicht noch einen Aspekt ergänzen wollen. Was mir jetzt auch aufgefallen ist, dieser erst mal total positive Begriff Technologieoffenheit, auch im Sinne einer Strategie, wird manchmal aber auch zweckentfremdet und zu so einem Glaubensbekenntnis umgedeutet. Und das hat aus meiner Sicht das Riesenpotenzial, dass das aber auch sehr systematisch zu einer Strategieunfähigkeit führt. Und ich denke, das sollten wir auf alle Fälle vermeiden.

Dr. Martin Schichtel: Definitiv, bin ich ganz bei dir.

Thomas Sinnwell: Hat mir sehr viel Spaß gemacht, Martin. Ich freue mich auf unseren nächsten Talk und ich hoffe, war für alle interessant. Bis zur nächsten Runde! Tschüss!

Dr. Martin Schichtel: Danke schön! Tschüss!

So! Das war‘s mal wieder für heute. Wir hoffen, ihr seid jetzt wie wir wenigstens ein bisschen schlauer. Denn nach unserer Aufnahme haben wir festgestellt, wie spannend wir das Thema finden und wie viele Fragen noch offen sind. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, einfach noch eine Folge dranzuhängen. Martin hat sich netterweise bereit erklärt, uns mit seinem Wissen noch mal zur Verfügung zu stehen und noch tiefer in das Thema, das uns alle angeht, einzusteigen. Wie immer haben wir weiterführende Links für euch in den Shownotes, und wenn ihr Lust auf mehr habt, dann freuen wir uns natürlich, wenn ihr uns abonniert. Die nächste Folge ist dann am 6. Mai am Start, wie immer am ersten Donnerstag im Monat. Bis dahin, eine gute Zeit! Wir freuen uns auf euch!

 

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