Folge 12

Technik. Wohlstand. Märkte. Wie viel Staat brauchen wir?

„Das hat zu einem Umdenken, auch im Bereich der deutschen Sicherheitsbehörden geführt, dass wir viel zu sehr auf andere Technologien angewiesen sind.“

Herzlich willkommen zu „Querverlinkt – Technik über dem Tellerrand“!
Unser heutiger Podcast beschäftig sich mit dem Thema Technik. Wohlstand. Märkte. Wir gehen der Frage nach, wie viel Staat unsere Gesellschaft und Wirtschaft braucht, um erfolgreich im internationalen Wettbewerb der Wirtschaftsregionen zu sein, welche Rolle dabei Technik spielt und welche Technik unser Staat selbst braucht? Thomas Sinnwell im Talk mit Nadine Schön, stellvertretende Vorsitzendes der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Ammar Alkassar, Bevollmächtigter für Innovation und Strategie sowie CIO des Saarlandes.

Viel Spaß beim Hören!

Transkription

Thomas Sinnwell: Herzlich willkommen zu unserem Podcast „Technik, Wohlstand, Märkte“. Heute gehen wir der Frage nach oder den Fragen nach: Wie viel Staat brauchen wir? Und wie viel Technik aber auch, welche neuen Arbeitsweisen braucht der Staat? Zur Klärung der Fragen habe ich mir zwei sehr kompetente Gäste eingeladen. Zum einen Nadine Schön, sie ist von Haus aus Juristin, ist Mitglied des Deutschen Bundestages sowie stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU Bundestagsfraktion. Sie leitete die Projektgruppe „Innovation“ der CDU/CSU Fraktion und ist eine von zwei Hauptautoren des Buches „NEUSTAAT“. Herzlich willkommen, Frau Schön!

Nadine Schön: Hallo! Ich freue mich, dass ich da sein kann.

Thomas Sinnwell: Sehr schön, dass Sie da sind. Mein zweiter Gast ist Ammar Alkassar. Er studierte Elektrotechnik und Informatik an der Universität des Saarlandes. Er ist der Beauftragte für Innovation - das muss ich jetzt ablesen - und Strategie sowie der Chief Information Officer des Landes Saarland. Vor seinem Engagement im öffentlichen Bereich war er Geschäftsführer der Rohde & Schwarz Cybersecurity GmbH und davor Mitgründer und Vorstand der Sirrix AG Security Technology. Herzlich willkommen, Ammar!

Ammar Alkassar: Danke für die Einladung!

Thomas Sinnwell: Frau Schön, Sie und Ihr Fraktionskollege Thomas Heilmann sind die Hauptautoren des Buches „NEUSTAAT“. Das ist ein Buch, von dem Gabor Steingart sagt „präzise und erschütternd in der Analyse und provokant in den Schlussfolgerungen“. Ich hab’s mir durchgelesen, ich fand es superspannend und kann die Stellungnahme von Herrn Steingart nachvollziehen. Wie kommt man denn jetzt als Politikerin oder als Politiker auf die Idee, ein derartiges Buch zu initiieren, viele Mitstreiter im Bundestag zu gewinnen und noch mehr Experten aus der Verwaltung und der Wissenschaft einzubinden?

Nadine Schön: Erst wollten wir gar kein Buch schreiben. Wir haben uns schlicht in einer Gruppe von Kolleginnen und Kollegen mit der Frage beschäftigt: Wie wird sich die Welt, Europa, Deutschland in den nächsten 20 Jahren weiterentwickeln? Was sind die Haupttrends, die Hauptszenarien? Und was müssen wir heute tun, damit wir auch in Zukunft noch unseren Wohlstand sichern, damit wir unsere Werte sichern? Und was sind die großen politischen Weichenstellungen? Am Ende, und das haben wir selbst mit neuen Methoden gemacht, wir haben sehr viel mit Externen diskutiert, auch Ammar Alkassar war Teil des Prozesses. Und irgendwann haben wir gesagt, wir wollen da jetzt nicht irgendwie so ein Papierchen machen, sondern im Prinzip geht’s um eine Erzählung, die wir auch ein bisschen erklären wollen, auch bebildern wollen, mit Grafiken unterlegen wollen. Und ein wirkliches Konzept, das ist das Konzept des lernenden Staates, dass wir dann auch an verschiedenen Themen durchbuchstabieren. Und das kann man nicht in einem Papier niederlegen, da braucht‘s dann doch ein paar Seiten mehr. Und dann ist Thomas Heilmann auf die Idee gekommen, dass daraus ein Buch werden soll.

Thomas Sinnwell: Schön, dass er auf die Idee kam, schön, dass Sie es gemacht haben. Und Sie haben ja da fünf eigentlich Bereiche herauskristallisiert, die so umschrieben sind als die Schicksalsthemen, denen wir uns jetzt stellen müssen. Das ist ja die Digitalisierung, dann unsere Situation jetzt mit den neuen Märkten. Ich sag mal, da ist ja gerade der asiatische Raum sehr stark am Kommen, da brauchen wir, da braucht Europa eine Antwort. Wir haben das Thema Klimawandel. Und ganz aktuell treibt uns ja die Pandemie immer noch um. Das ist auch ein Bereich, der detektiert wurde. Und dann, was ich auch sehr, sehr spannend finde und eine echte Herausforderung, der Wandel in unserer Gesellschaft. Wie kam es denn jetzt gerade zu diesen fünf großen Themen? Oder wie werten Sie die?

Nadine Schön: Die fünfte, die jetzt noch gefehlt hat in der Aufzählung, war die Pandemie-Vorsorge. Die haben wir dann am Ende noch mit reingenommen, weil wir das Buch im ersten Lockdown fertiggestellt haben. Und da dachten wir, so einen kleinen Blick darauf kann man schon mal werfen. Und das sind natürlich nur fünf von mehreren ganz großen Herausforderungen, vor der wir alle stehen. Aber ohne Frage sind es ganz große Herausforderungen. Also die neue Konkurrenz, das Verschieben auch der politischen Kräfte weltweit, das ist etwas, was wir jetzt schon spüren, was in den nächsten Jahren noch zunehmen wird. Gerade der asiatische Bereich, China prescht da noch mal mit einer ganz anderen Dynamik voran. Und da wird sich am Ende auch die Systemfrage stellen.

Thomas Sinnwell: Ja, auch mit einem ganz anderen Umgang mit Daten.

Nadine Schön: Genau! Auch als Systemfrage mit einem anderen Wertefundament als wir das haben. Und mit den Amerikanern haben wir ja noch ein großes Einverständnis, was Demokratie, Menschenrechte et cetera angeht. Bei China sieht das in Teilen schon anders aus. Aber innovativ und selbstbewusst ist eben auch China und darauf braucht man Antworten, politische Antworten. Die haben viel mit Technologie zu tun, aber nicht nur.

Thomas Sinnwell: Genau! Mit Technologie würde ich dann auch starten wollen, ganz im Sinne unserer aktuellen Staffel. Aber nichtsdestotrotz dann anschließend auf all diese anderen Themen, so gut wir das in der Zeit schaffen, noch eingehen, weil ich die für ungemein spannend halte. Technologie ist ein wichtiger Muss-Baustein. Wenn wir den Rest nicht hinbekommen, wird das mit der Technologie aus meiner Sicht alleine auch nicht funktionieren. Damit komme ich dann auch schon zum Thema Digitalisierung und zu dir Ammar. Das ist ja, da gehe ich mal davon aus, du hast ja so zwei große Themen, die du treibst. Das ist das Thema die digitale Transformation, aber auch die Modernisierung der Verwaltung. Und da gehe ich mal von aus, dass du diese Themen auch im Buch getrieben hast. Meine Frage an dich: Was ist denn digitale Transformation? Ich mach mir manchmal einen Spaß und frag Leute. Man hört da ganz unterschiedliche Sachen. Was ist das für dich?

Ammar Alkassar: Zunächst mal ist das Thema Verwaltungsmodernisierung ein Thema, das nicht nur mich sozusagen umgetrieben hat, sondern erstaunlicherweise ganz, ganz viele, die an diesem Buch mitgearbeitet haben. Also ich war wirklich baff, wie viele Mitstreiter plötzlich sehr ähnliche Ideen haben, sehr ähnliche Erfahrungen gemacht haben, und zwar Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die jetzt schon in Verantwortung sind. Und ich glaube, das ist sozusagen ein ganz großer Gewinn von diesem Buch. Und deswegen wirklich noch mal einen herzlichen Dank an die Nadine und an den Thomas das aufzugreifen. Weil das hat erst mal gezeigt, wie viele ähnliche Ideen verfolgen und heute schon in Verantwortung sind, und die man hat einfach nur zusammenbringen müssen, damit sie dort ein kohärentes Weitertreiben dieser Ideen bringen. Also von daher, das glaube ich ist schon mal ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Digitalisierung ist ja am Ende des Tages im Wesentlichen das Nutzen von innovativen Werkzeugen in bestimmten Bereichen, so auch im staatlichen Bereich. Und ich glaube, das ist etwas, was wir noch viel stärker auch nach außen für werben müssen, dass die Digitalisierung ja nie ein Selbstzweck ist, sondern immer nur Werkzeuge, um Dinge auf den Weg zu bringen. Es gibt ein tolles Beispiel, das auch im Buch beschrieben ist. Es gab eine Zeit in Deutschland, in dem große Reformen auf den Weg gebracht worden sind, wie vor 200 Jahren, als Preußen mit Stein und Hardenberg Verwaltung ganz neu geschrieben hat, quasi auf den Kopf gestellt hat, und dazu wirklich innovative Werkzeuge genutzt. Innovative Werkzeuge, die wir heute immer noch verwenden, sind die Farben, mit denen Minister, mit denen der Kanzler, mit denen Abteilungsleiter jeweils unterschreiben, damit am Ende sichtlich wird, wer was kommentiert hat. Und wir machen das heute immer noch. Und deswegen ist Digitalisierung in diesem Zusammenhang die Chance zu nutzen: neue Werkzeuge. Ich meine, wir haben jetzt mehr als nur Farben, die wir nutzen können, die aufzugreifen und zu nutzen. Und das ist, glaube ich, das Spannende an Digitalisierung, sie als Werkzeug zu begreifen, um die Arbeit, die man machen möchte, besonders effizient, besonders gut zu machen.

Thomas Sinnwell: Ich denke, da sprichst du einen ganz, ganz wesentlichen Punkt an. Das kenne ich aus meiner Erfahrung, wir kümmern uns ja nicht nur um die Analyse von Netzwerkdaten, sondern entwickeln auch Software für Unternehmen, und Digitalisierung ist im Moment ja das ganz große Thema. Da habe ich zum einen natürlich diese technischen Fragestellungen, aber fast größer ist dieser Aufgabenbereich, die Menschen zusammenzubringen, den Prozess zu moderieren, eine einheitliche Sicht auf das Thema zu geben, die Leute zu motivieren. Weil so eine Grundreaktion ist ja: Oh nein, mache ich schon so lange so, äh, lass mal gut sein. Wie ist das denn im öffentlichen Bereich, ähnlich, stärker vergleichbar?

Ammar Alkassar: Das ist genau gleich. Am Ende des Tages, das war ja so die große, die spannende Herausforderung, die mich motiviert hat, überhaupt in den öffentlichen Bereich zu gehen, in die Politik zu gehen, in die Verwaltung zu gehen. Und man merkt eigentlich sehr schnell, am Ende ist es sehr vergleichbar mit der Wirtschaft, mit der Privatwirtschaft, weil man hat mit Menschen zu tun. Und Menschen muss man immer motivieren. Ob das jetzt in einer Behörde ist oder in einem Unternehmen, macht am Ende nicht mehr viel Unterschied. Das ist etwas, was oftmals, glaube ich, missinterpretiert wird. Die Menschen, die im Staat arbeiten, sind im Schnitt genauso innovativ, genauso kreativ, die muss man aber auch motivieren, man muss sie mitnehmen und man muss ihnen Freiräume geben, Verantwortung übertragen und dann bekommt man auch exzellente innovative Ergebnisse. Und das, glaube ich, ist am Ende des Tages einfach das, was man machen muss, um sozusagen das Potenzial, das auch im Staat schon vorhanden ist, wirklich auszuschöpfen.

Thomas Sinnwell: Ja, das würde ich absolut unterschreiben. Ich würde aber noch einen Punkt hinzufügen wollen. Es hilft ungemein, wenn man den Menschen aufzeigen kann, was das denn für sie in der Zukunft bedeutet. Weil da ist ja oft so der Gedanke, ich verliere meinen Arbeitsplatz, so Erstreaktion, jetzt wird ja alles automatisiert. Aber dass es spannender werden kann, kreativer, das sehen ja die wenigsten. Und ich glaube, das ist auch ganz, ganz wichtig, das den Leuten mitzugeben. Frau Schön, …

Nadine Schön: Mir sind nur gerade so viele Gespräche in den Sinn gekommen, die ich in den letzten Wochen geführt habe. Und mir ist nochmal deutlich geworden, wie sehr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst auch darunter leiden, dass alle nur mit dem Finger auf sie zeigen und sich darüber beschweren, dass im Staat alles so schwierig und komplex und langsam ist. Und daran sind ja nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schuld, sondern das sind die Strukturen, die sich über all die Jahre so entwickelt haben, dass sie wahnsinnig komplex geworden sind. Und deshalb ist es zum einen eben auch im Interesse der Bediensteten des öffentlichen Dienstes, dass wir die Struktur noch mal entschlacken, weil sie dann auch schneller zu ihren Zielen, zu ihren Arbeitsergebnissen kommen und das machen können, wofür sie ja da sind, nämlich den Laden am Laufen zu halten, den Menschen zu helfen. Und dass man zum zweiten auch durch Digitalisierung und Technologie ihre eigene Arbeit angenehmer gestalten kann. Denn die mühen sich ja auch ab mit Reisekostenanträge stellen oder vieles mehr. Und deshalb ist es sowohl für die Mitarbeiter, also den öffentlichen Dienst attraktiv zu halten, wichtig was zu tun, aber auch, um die Strukturen flexibler zu gestalten, damit der öffentliche Dienst insgesamt mehr Output-orientiert ist. Und das hilft den Bediensteten ja auch noch mal. Und ich glaube, wenn man das einmal erklärt hat, dann hat man ganz, ganz viele Mitstreiter. Denn wie Ammar Alkassar sagt, Ideen sind da eine ganze Menge und viele wollen da auch was verändern, und das muss man angehen.

Thomas Sinnwell: So in meiner Welt kenne ich das dann, dass Change-Management ganz wichtig ist, diese Prozesse zu begleiten. Wie wird das dann im öffentlichen Bereich organisiert? Die Frage geht dann gleich an beide.

Ammar Alkassar: Ich glaube, das Wichtigste ist zu schauen, was sind sozusagen die Treiber in einer bestimmten Organisation, sowohl in einer privaten Organisation als auch in einer öffentlichen Organisation. Ich glaube, ein Punkt, den wir tatsächlich stärker, viel stärker in den Fokus nehmen müssen und auch anpassen müssen, ist: Wir haben eine Verwaltung, die darauf optimiert ist, dass sie Risiken minimiert. Das bedeutet, dafür Sorge zu tragen, dass, wenn man bestimmte Projekte macht, bestimmte Vorhaben auf den Weg bringt, die Risiken möglichst klein hält. Das führt unweigerlich dazu, dass wir eigentlich kein Messinstrument für vergebene Chancen haben. Das heißt, wenn ich eine Chance ziehen lasse, dann werde ich dafür zu keinem Zeitpunkt belangt, bestraft oder irgendwie hinterfragt. Wenn ich allerdings ein Risiko eingehe und es läuft schief, dann werde ich sozusagen in Frage gestellt, warum ich das gemacht habe. Und in Unternehmen sind das typische Opportunitätsverluste, wenn man Chancen nicht nutzt. Der Unterschied zwischen der Verwaltung und der Privatwirtschaft ist, dass Unternehmen, die in einem gesellschaftlichen oder marktorientierten Umfeld sich bewegen, das sich laufend ändert, sich nicht mitentwickeln, die verschwinden irgendwann mal vom Markt. Ein großes Beispiel ist ja immer Kodak, das Unternehmen mit der höchsten Marktkapitalisierung weltweit war. Ist dann verschwunden, weil sie zu langsam sich angepasst haben. Und das Problem ist, beim Staat passiert das nicht. Der Staat verschwindet, passiert nicht, weil den Staat einfach per Definition wir eingerichtet haben als Gesellschaft. Und das ist etwas, was wir, glaube ich, aktiv, proaktiv ändern müssen. Das heißt, wir müssen uns überlegen, wie wir Chancen, die Nutzung von Chancen motivieren und dabei natürlich dann auch Risiken kalkuliert eingehen. Und das sind Dinge, die nicht von alleine kommen. Ich glaube, die müssen wir tatsächlich proaktiv sozusagen in der Art, wie wir das machen, ändern. Und dann ändert sich auch vieles automatisch. Wenn ich die Dinge motiviere, dass man Chancen wahrnimmt, dann machen das auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn man natürlich nur darauf achtet, ob jemand den Fehler macht, dann konditioniert man auch eine gesamte Organisation, nur Fehler zu vermeiden. Und das ist etwas, was glaube ich, an zwei, drei Stellschrauben verändert, automatisch positive Auswirkungen auf die gesamte Organisation hat.

Thomas Sinnwell: Ja, da würde ich mich absolut anschließen. So eine gewisse Fehlerkultur zu etablieren, ist halt ungemein wichtig. Wenn sich kein Mensch mehr traut, was falsch zu machen, dann kommt auch nichts Neues raus. Nein, spannend! Dann würde ich gerne ein Stück weit Richtung Technik wieder wandern. Beim Lesen ist mir halt eine Technologie ins Auge gesprungen und in unserer ganzen Staffel haben wir nie über das Thema Blockchain gesprochen. Jetzt möchte ich das gar nicht so großartig technisch durchdeklinieren, aber die Blockchain-Technologie hat ja doch ein Riesenpotenzial. So für das Verständnis, denke ich, würde es helfen, wenn wir noch definieren, was ist eine Blockchain? Ammar, bist du so lieb? Was ist denn eine Blockchain?

Ammar Alkassar: Blockchain ist eine sehr innovative Technologie, mit der man mit Hilfe von kryptografischen Verfahren dezentral bestimmte Dinge nachverfolgen kann. Also man braucht keine dritte Partei, die die Authentizität überprüft, sondern man kann tatsächlich Daten protokollieren, die Authentizität über einen sehr langen Zeitraum sicherstellen, ohne eine Organisation, die eine große Datenbank oder ähnliches betreibt. Die Anwendungsfälle gehen aber weit über die Kryptowährung hinaus, umfassen Vertragsgestaltung beispielsweise oder auch Kühlketten, und die Kommunikation zwischen verschiedenen Geräten. Also es gibt ganz, ganz viele Anwendungsfälle für die Blockchain.

Thomas Sinnwell: Besten Dank, Ammar! Bleibt noch die Frage zu klären: Warum ist die Blockchain-Technologie für Deutschland so wichtig? Frau Schön, wenn Sie da bitte noch was zu sagen könnten?

Nadine Schön: Die Blockchain-Technologie ermöglicht es noch mal ganz anders an verschiedene Themen heranzugehen. Und das ist ja eine Technologie, die vor allem dann zum Einsatz kommt, wenn es um Vertrauen geht, die dann zum Einsatz kommt, wenn ein Intermediär eingespart wird sozusagen oder nicht gebraucht wird, und wenn man vor allem auf Dezentralität und Vertrauen setzt. Und Vertrauen ist etwas, was für den Staat wahnsinnig wichtig ist. Ammar Alkassar hat eben gesagt, der Staat ist per Definition da, aber nicht alle Leistungen des Staates werden immer auch nur vom Staat erbracht. Das heißt, wir sehen das ja jetzt schon in manchen Bereichen, dass gerade die großen amerikanischen Plattformen viel besser darin sind, zum Beispiel eine Gesundheits-App anzubieten. Oder viele Menschen identifizieren sich bei allen möglichen Leistungen, die sie machen, über ihr Facebook-Login. Und die Reihe könnte man fortschreiben, das heißt, Sachen, die klassischerweise eher beim Staat oder wenn man an den E-Euro denkt, bei der EZB liegen, werden immer mehr durch private Akteure erbracht. Und deshalb muss man sich schon die Frage stellen, verliert dadurch nicht auch der Staat etwas, wofür ihn die Menschen brauchen, nämlich dieses Vertrauen und identitätsstiftende Wirkung. Und inwieweit wollen wir das zulassen, dass das Private machen und was sollte aber in staatlicher Hand bleiben. Und das sind spannende Fragen und die Blockchain-Technologie, um Ihre Frage zu beantworten, ist gerade zum Beispiel beim Thema Digitalitäten oder beim Thema digitaler Euro extrem wichtig für den Staat. Sie ist aber auch für die Privatwirtschaft wichtig, wenn wir über Smart Contracts nachdenken, ein Land, was so am Maschinenbau, an der Automatisierung hängt, wie wir das tun, muss sich mit der Frage von Smart Contracts beschäftigen. Das ist …

Thomas Sinnwell: Definitiv! Ja.

Nadine Schön: … wirtschaftlich total wichtig. Und da kommt vieles zusammen. Für nicht alles wird Blockchain die Lösung sein, aber für manches vielleicht schon. Und deshalb sollten wir es auf keinen Fall verpennen.

Thomas Sinnwell: Ich denke, das ist ein ganz spannender Punkt, man darf‘s nicht verpennen. In Ihrem Buch wird mehrfach auf das Thema Standard eingegangen, und wer setzt den Standard. Und das finde ich jetzt gerade auch im Kontext von einer Blockchain unheimlich spannend. Oder die meisten kennen ja das Thema Blockchain eher über die Kryptowährung. Was ein Anwendungsfall ist, da gibt’s natürlich noch ganz andere. Und Sie haben ja auch die zentralen Effekte, die ich mit einer Blockchain erreichen kann, ja schon angesprochen. Und grundsätzlich kann ich, je nachdem wie ich so einen Token ausgestalte, eigentlich jeden realen Ablauf in der Welt auch dann digital abbilden. Und da wir ja heute auch über das Thema Digitalisierung reden, natürlich ein ungemein wichtiger Punkt. Aber jetzt gerade so diese Geldmarktpolitik, das ist ja schon eine Geschichte, die jetzt für mein Dafürhalten sehr nah am Staat sein sollte. Und wenn ich mir jetzt anschaue die Ankündigung von Facebook mit der Digitalwährung Libra, das hat ja schon, glaube ich, bei dem einen oder anderen Politiker auch erstmal einen kleinen Schock ausgelöst. Und wie müssen wir uns denn da jetzt aufstellen?

Nadine Schön: Ja, das ist so, das hat einen Schock ausgelöst. Und der erste Gedanke ist: Wie können wir das denn eindämmen? Was müssen wir regulatorisch tun, damit das nicht kommt. Die Frage sollte aber viel mehr sein, wenn da ein Bedarf dafür ist, dass Transaktionen sehr schnell laufen, ohne einen Intermediär laufen, dann muss der Staat sich vielleicht auch fragen: Was können wir denn anbieten, damit das verfügbar ist? Und im Gegensatz zu den Bitcoins sprechen wir ja von einer stabilen digitalen Währung, also von einem Stablecoin, der die Antwort sein kann auch auf solche Initiativen wie Libra. Bevor andere den Standard setzen, sollten wir den lieber selbst setzen. Es gibt ja auch nicht nur eben diese private Initiative, sondern die Chinesen sind auch dabei, eine digitale Währung zu emittieren. Und für eine Nation, die auch vom Export lebt, ist das schon eine Frage, mit welcher Währung wird künftig gearbeitet und was ist der Standard, der dem zugrunde liegt.

Thomas Sinnwell: Ich denke auch so im Kontext der digitalen Souveränität oder auch der Positionierung. Jetzt in den neuen internationalen Märkten wäre das ja schon ein ganz toller Baustein, wenn wir den Standard in Europa setzen würden. Ammar, wie siehst du das?

Ammar Alkassar: Ja, also auf jeden Fall. Das, was Nadine Schön eben gesagt hat, ist ein ganz zentraler Punkt, das ist Wirtschaftspolitik. Das war über Jahrhunderte so, derjenige, der die Währungspolitik dominiert hat, hat auch die Weltmärkte lange Zeit dominiert. Deswegen ist es wichtig, einen Punkt wirklich aufzugreifen, den Nadine jetzt auch eben gesagt hat, nämlich ein Stück weit wegzukommen von dem, was wir eigentlich früher immer gemacht haben, nämlich zu sagen: Oh! Das ist eine neue Technologie. Moment mal! Die könnte gefährlich sein, müssen wir erstmal ausbremsen. Und dann überlegen wir uns in Ruhe, was wir damit machen. Das Problem ist, dass die Zeit mittlerweile so ist, dass Technologien so schnell sind, so langlebig sind, dass wir uns eben keine zehn Jahre leisten können, über eine Technologie, die wir erstmal ausgebremst haben, nachzudenken, ob wir sie einsetzen können oder nicht. Und ich glaube, was wir machen müssen, ist, ein Stück weit selber viel stärker das Positive in neuen Technologien für uns selber zu setzen. Das heißt, wenn ich mir jetzt beispielsweise anschaue, neue Verfahren, um Scheine fälschungssicher zu machen, die werden relativ schnell aufgegriffen von der öffentlichen Hand, um das Papiergeld sicherer zu machen. Also das, glaube ich, läuft gut. Aber sobald etwas komplett Neues kommt, gibt es immer noch sehr, sehr viele Widerstände, das Neue, das komplett Neue einzuführen.

Thomas Sinnwell: Da habe ich ja so einen schönen Satz in Ihrem Buch gelesen, hat mir sehr gut gefallen: Ist es vielleicht besser, zwei Jahre lang eine neue Technologie mal auszuprobieren und dann nachzujustieren, als fünf Jahre darüber nachzudenken, ob das denn passt. Und wenn man sich gerade anschaut, was in der Welt so vor sich geht, wir haben die fünf Jahre einfach nicht mehr zum Nachdenken. Die Zeiten sind schon länger vorbei.

Nadine Schön: Ja. Das ist absolut das, was Ammar eben über die Verwaltung gesagt hat, dass es bisher einfacher ist, auf Risikominimierung zu setzen, als was Neues auszuprobieren. Und das gilt für die Politik natürlich auch. Politikern wird in der Regel der Kopf abgemacht oder sie müssen zurücktreten, wenn ein Projekt gescheitert ist. Das ist auch okay, denn man hat ja Verantwortung, muss Verantwortung übernehmen. Aber ich würde mir schon in Politik und damit auch in den Medien und in der Gesellschaft mehr Risikokultur wünschen. Dass es auch einen Konsens gibt, dass man in einer Welt, die sich so schnell ändert, auch mal neue Sachen ausprobiert, die auch ein Risiko haben. Dass man auch iterativ, agiler an Themen rangeht. Was heißt das? Dass man nicht erst dann die Lösung der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, wenn sie perfekt ist, sondern auch mal mit einer Beta-Version nach außen geht. Das ist ein kultureller Wandel, den wir, glaube ich, alle gemeinsam gehen müssen, der aber dringend notwendig ist, weil wir sonst die Innovationsgeschwindigkeit einfach nicht mitgehen können.

Thomas Sinnwell: Ich würde jetzt gerne noch auf das Thema digitale Identitäten zu sprechen kommen. Weil wir hatten ja jetzt gerade Blockchain, und das hat ja schon ein Stück weit auch was miteinander zu tun, oder das eine kann dem anderen dienen. Was ist denn eine digitale Identität? Ich habe so ganz kurz beim Lesen selber nachgedacht, für mich versucht, das mal zu definieren, und habe dann eher sowas in die Richtung mir zusammengedacht: Naja! Das ist letztendlich eine Abbildung einer realen Person oder eines physikalischen Objektes in einer eindeutig identifizierbaren Datenform. So grob könnte man das vielleicht dann definieren. Aber welcher Zusammenhang besteht denn jetzt zwischen Identität, dieser digitalen, und der Blockchain?

Ammar Alkassar: Ich glaube, vielleicht, Nadine, wenn ich ganz kurz sozusagen das Intro machen kann. Also ich glaube, digitale Identitäten ist eines der wichtigsten Felder für die digitale Souveränität in der Zukunft, weil sie am Ende die Grundlage dafür sind, den Kontakt auch zwischen, in dem einen Fall, einer physischen und einer natürlichen Person und einem Service sozusagen zu schaffen, aber auch für eine Infrastruktur, in denen möglicherweise Objekte miteinander autonom sozusagen interagieren. Und damit ist das sozusagen die Plattform, das Betriebssystem der Zukunft in vielen, vielen anderen Bereichen. Deswegen gibt es dort auch sehr, sehr viel Konkurrenz. Es gibt sehr viele wirtschaftliche Wettbewerbe, wer das anbietet. Deswegen bieten die großen Plattform Facebook, Google, Apple, alle ihre eigenen Digital-Identitäts-Systeme an zur Nutzung durch andere. Und ich glaube, das ist etwas, wo wir auch darüber nachdenken müssen, dass wir bei uns einen vernünftigen Service haben, der hier auch verankert ist. Das gilt nicht nur für den Staat, sondern auch für Services, die auch im wirtschaftlichen Bereich genutzt werden. Da gibt’s auch verschiedene Ideen, dass der Staat dort mithilft. Nadine, aber da bist du näher dran.

Nadine Schön: Ja, da gab‘s jetzt ganz viel Bewegung auch im letzten halben Jahr und auch ein Beispiel dafür, wie man sich auch mal politisch Themen anders nähern kann. Und zwar im Kanzleramt gab‘s eine Arbeitsgruppe zwischen Staat, also den beteiligten Ministerien, und konkreten Anwendern aus der Wirtschaft, die sich mit der Frage beschäftigt haben: Wo können wir denn digitale Identitäten einsetzen? Da saß dann die Deutsche Bahn am Tisch, da saß die Deutsche Bank am Tisch für den ganzen Finanzbereich, da saß das Hotelgewerbe am Tisch. Und da haben wir zum Beispiel den ersten Anwendungsfall jetzt gerade geschaffen, nämlich durch eine Experimentierklausel, die wir ins Gesetz eingefügt haben, einen Experimentierfall geschaffen, dass man beim Hotel-Check-In auf eine digitale Wallet im Prinzip zugreift und dadurch auch die Korrespondenz als Geschäftsreisender zwischen seinem Unternehmen, dem Hotel, wo man ist, und eben der Identifikation der Person also einfacher wird. Ganz simpel mit einem Mehrwert für alle. Alle Beteiligten sagen mir, normalerweise hätte das ewig gedauert, bis sie das aufgesetzt haben. Aber dadurch, dass mal alle an einem Tisch saßen und man sehr an der Anwendung orientiert gearbeitet hat, hat man sehr schnell ein sehr konkretes und sehr innovatives Ergebnis erzeugt. Und da wollen wir jetzt weitere Anwendungsfelder schaffen, die ersten wird‘s im Herbst geben.

Thomas Sinnwell: Ja, super!

Nadine Schön: Und das ist mal ein Fall, wo wir mal wirklich einigermaßen schnell waren, anwendungsorientiert und dieses neue Miteinander auch von Staat und Privatwirtschaft gut ausprobiert haben.

Thomas Sinnwell: Ja, oder heißt auch im Buch neues Denken, und ich denke, das ist ja für diese Blaupause schon ein ganz vortreffliches Beispiel. Nein, sehr schön, dass es da weitergeht. Prima! Dann würde ich jetzt gerne noch nach der digitalen Souveränität auf das Thema internationale Märkte zu sprechen kommen. Bei der Souveränität musste ich eben grad dran denken an einen anderen netten Spruch im Buch: Es wird eher das Zahlungssystem abgestellt als die Gaspipeline. Was ein durchaus unschönes, aber denkbares Szenario sein könnte. Und wenn ich mir jetzt grad Visa und Mastercard anschaue, die wir hier in Europa verwenden, wir haben nichts Eigenes. Und insofern gibt’s da, glaube ich, schon einige Hausaufgaben für den Staat und für uns alle, die wir da jetzt angehen sollten.

Ammar Alkassar: Das ist richtig. Und wenn ich ein auch besonders sensibles Thema anspreche: Wir sind dort ein Stück weit auch gezwungen, eine Jurisdiktion anzuwenden, die nicht die europäische ist, sondern eine amerikanische beispielsweise. Also wenn die Amerikaner bestimmte Länder auf der Sanktionsliste haben, dann dürfen wir faktisch mit denen auch nicht arbeiten, weil wir deren Services nutzen, und die Amerikaner verbieten natürlich ihren eigenen Unternehmen das zu machen. Das haben wir jetzt mit der Pipeline gesehen, das sehen wir aber auch in vielen anderen Bereichen. Das heißt, es ist natürlich schon eine Frage auch der Souveränität, dass wir die Technologien selber hier haben und dass wir Unternehmen haben, die sie auch anbieten, damit wir auch sozusagen unsere eigene Politik, auch internationale Politik entsprechend umsetzen können. Und Nadine hatte das ja vorhin gesagt, mit den Amerikanern teilen wir sehr vieles, sehr viele Werte auch, und wenn wir aber dann darüber nachdenken, dass zukünftig sogar bestimmte Services dann vor allen Dingen aus Ländern wie China angeboten werden und wir davon auch abhängig werden, dann kann das schon sein, dass wir dann Schwierigkeiten haben werden, unsere Vorstellungen von Politik und Werten umzusetzen. Und deswegen ist auch Technologiepolitik auch eine Politik der digitalen Souveränität und am Ende auch eine Politik, ob wir unsere Vorstellung von Gesellschaft und Staat leben können oder nicht. Also es ist nicht nur eine Frage der Ökonomie, sondern es ist auch eine Frage wirklich von Kernbereichen der Politik.

Nadine Schön: Ich denke, man darf digitale Souveränität nicht mit Autarkie verwechseln. Wir werden nicht alles anbieten können, aber wir brauchen eine Wahlfreiheit, Wahlmöglichkeiten und auch eigene Kompetenzen in den zentralen digitalen Themen. Und da ist eine Cloudinfrastruktur ein wichtiges Thema. Deshalb hat Peter Altmaier ja auch GAIA-X auf den Weg gebracht. GAIA-X ist ein Projekt, was vom Bundeswirtschaftsministerium, von Peter Altmaier initiiert wurde. Es geht darum, dass wir in Europa eine eigene Dateninfrastruktur aufbauen, die interoperabel ist und die vor allem eigenen Standards Genüge trägt. Es ist ein offenes Konsortium, da sind viele Player mit dabei, weltweite Player. Das Entscheidende ist, dass wir bei diesem Projekt die Standards vorgeben. Und damit ist es ein wichtiges Thema für die digitale Souveränität in Europa. Ein weiteres Thema, wo wir weltweit einen Standard gesetzt haben, ist das neue Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, die GWB-Novelle. Die Europäische Kommission schaut jetzt genau, was haben die Deutschen da gemacht, und guckt sich da sehr viel ab für die eigene Regulierung, für den Digital Market Act. Und das sind deutliche Schritte, dass Deutschland und Europa insgesamt selbstbewusster und souveräner werden, auch mal den amerikanischen Plattformen ein Stoppschild vorhalten. Aber nur Stoppschilder allein nutzen halt nicht.

Thomas Sinnwell: Reicht nicht. Ja.

Nadine Schön: Man braucht eben auch die eigenen Kompetenzen. Deshalb ist es wichtig, eben eigene Fähigkeiten aufzubauen und auch dafür zu sorgen, dass gute, innovative Ideen auch eine Möglichkeit haben, zu wachsen und groß zu werden. Wir können uns totregulieren, aber am Ende brauchen wir die attraktiven Angebote aus dem eigenen Land oder aus Europa, sonst wird Usability immer vorgehen. Und bisher sind da die anderen einfach besser als wir.

Ammar Alkassar: Vielleicht nur eine Beobachtung, um das nochmal zu ergänzen. Ich teile das zu 100 %. Es gibt eine Geschichte im Bereich der Sicherheit. Ihr kennt das ja auch aus eurer Arbeit, als die ganzen Skandale um Edward Snowden rausgekommen sind. Das hat zu einem Umdenken auch im Bereich der deutschen Sicherheitsbehörden geführt, dass wir viel zu sehr auf andere Technologien angewiesen sind. Und das war politisch getrieben. Das hat damals der Kollege Ohl, der jetzt mittlerweile verstorben ist, hat ein Programm auf den Weg gebracht, das dazu geführt hat, dass wir diese Sicherheitstechnologien selber entwickelt haben. Es ist viel Geld investiert worden, damit wir diese Abhängigkeit rausbringen.

Thomas Sinnwell: Du hast das jetzt auch so in der Gesellschaft und im politischen Kontext betrachtet. Ich muss auch sagen, was der Snowden gemacht hat, hat sich auch in der Wirtschaft wirklich widergespiegelt. Wir haben damals auch schon Monitoring-Technologie gebaut, aber das Argument, dass wir ein deutsches Unternehmen sind, das jetzt keine Hintertürchen einbaut, das war eigentlich vor 2013 völlig irrelevant. Und das ging so, ein Jahr so nach 2013 war das dann wirklich ein Thema, wo man damit schon punkten konnte, dass man als mittelständisches deutsches Unternehmen kommt und sagt: Ich habe hier ein Produkt, möchtest du dir das mal anschauen? Das ist dann auf Interesse gestoßen, das gab‘s vorher definitiv nicht. Insofern kann ich das absolut nachvollziehen und bestätigen. Dann würde ich jetzt gerne, aber so im Kontext der internationalen Positionierung von Deutschland oder der EU, noch auf andere Themen zu sprechen kommen. Da gibt’s ja ganz viele Sachen in dem Buch „NEUSTAAT“ und das hat ja auch alles nicht unbedingt was mit Technik zu tun, aber diese gesellschaftliche Einigung oder der lernende Staat, das war ja, Frau Schön, das hatten Sie ja auch gleich eingangs schon erwähnt, das sind eigentlich auch ganz, ganz wichtige Teile. Wenn Sie da vielleicht noch was zu sagen könnten?

Nadine Schön: Da geht’s vor allem um die kulturellen Themen. Also der lernende Staat, das ist so unser Leitmotiv, was über allem steht, nämlich die Frage: Trauen wir uns, auch mal iterativ vorzugehen? Trauen wir uns, Gesetze zu machen und die auch in kürzeren Zyklen nochmal nachzubessern? Und trauen wir uns auch, mit den modernen Möglichkeiten zu arbeiten? Wie stark nutzen wir denn wirklich Datenanalysen, um erst mal die richtige Methode zu finden für unser politisches Problem, was wir haben? Inwiefern monitoren wir denn das, was wir gemacht haben, ob das wirklich seine Ziele erreicht? Jedes Unternehmen hat seine KPI, das brauchen wir in der Politik auch. Wir müssen nicht nur immer mehr Regulierung machen, sondern wir müssen auch schauen, dass das, was wir an Regulierung gemacht haben, dass das auch so wirkt, wie wir uns das gewünscht haben. Und wenn das nicht der Fall ist, muss es weg oder es muss geändert werden.

Thomas Sinnwell: Jetzt ist mir noch ein Punkt durch den Kopf geschossen, den ich auch für ganz wichtig halte. Das ist auch eine Rolle, die ich auch ein Stück weit beim Staat, bei der Politik sehe: die gesellschaftliche Einigung. Wenn man sich im Moment ja Nachrichten anschaut, dann habe ich immer noch das Corona-Thema. Und das war jetzt für mein persönliches Dafürhalten über eine lange Zeit sehr angstbesetzt, das wurde gespielt, diese Karte, das war meine Wahrnehmung jetzt. Viele Leute sind noch verunsichert, manche wissen gar nicht so richtig, wie sie sich (unv. #00:34:40.6# anstellen?) sollen. Dann haben wir das Klimathema. Konnte man jetzt ja diese schrecklichen Ereignisse im Ahrtal, bekam man wirklich konkret mal Auswirkungen, da muss man gar nicht mehr rumdiskutieren, vor Augen geführt. Ich denke, der letzte Klimaleugner müsste jetzt bekehrt sein. Und das sind ja alles Themen, die Angst machen. Dann sowas wie KI. Also für dich und für mich ein faszinierendes Thema. Aber das geht ja auch oft in den Köpfen der Leute einher mit, ich verliere meinen Arbeitsplatz, das macht dann ein Roboter. Und das ist so eine Gemengelage, die ist schon sehr, sehr herausfordernd. Was ist denn da Ihr Plan, um den Menschen vielleicht wieder eine Perspektive zu geben?

Nadine Schön: Bei allen Diskussionen über „NEUSTAAT“ oder eben auch über die konkreten Themen, über die wir jetzt sprechen, hilft‘s immer, wenn man vom Abstrakten ins Konkrete geht. Und es gibt ganz viele tolle Beispiele, wie wir uns weiterentwickeln können dadurch, dass wir Technologie nutzen, und dadurch, dass wir Digitalisierung nutzen. Und wir sind eben auch nicht so hilflos ausgeliefert, wie das dann manchmal dargestellt wird. Am Ende ist es eine Gestaltungsaufgabe, und wenn man das mit den Menschen diskutiert, dann wird es ganz praktisch und plastisch und dann finden es auch alle gut.

Thomas Sinnwell: Ja. Ich würde es jetzt noch gerne um das Thema Technologien, letztendlich, um den Klimawandel gestalten zu können, um die Klimaschutzziele erreichen zu können, noch erweitern. Weil da steckt auch eine Riesenchance für Deutschland drin. Da kann man ja wirklich ganz viel machen. Wie ist denn da jetzt so die aktuelle Stoßrichtung seitens der CDU/CSU-Fraktion?

Nadine Schön: Das ist die Chance schlechthin. Also der Green Deal der Europäischen Union hat natürlich Risiken für verschiedene Unternehmen, aber er hat auch eine Menge Opportunitäten und eine Menge Chancen. Und am Ende geht ja gar kein Weg dran vorbei: Wir haben nur den einen Planeten und den müssen wir gemeinsam retten. Und das geht in meinen Augen am besten durch Innovation, durch Technologie, nicht durch Verbote. Wir brauchen große Sprünge, und deshalb brauchen wir auch Investitionen in diesen Bereichen und Innovationen. Es gibt einen tollen neuen Thinktank, der heißt Epico. Der hat ein Funding von der Bill & Melinda Gates Stiftung unter anderem. Und die zeigen diese konkreten Themen und vernetzen die Akteure aus der Technologie mit der Politik und mit den denjenigen, die das Geld bringen. Und daraus entstehen eben konkrete Lösungen. Und ich find‘s total spannend, weil ich sehe, was man alles bewegen kann, und dass das auch wirtschaftlich ganz neue Chancen bietet, gerade auch für das Saarland. Da kann Ammar vielleicht nochmal mehr dazu sagen. Aber wir sollten nicht nur nach hinten schauen, wir müssen immer nach vorne schauen. Wir müssen schauen, wo sind die Chancen, wo sind die Opportunitäten, und wie können wir aus dieser Herausforderung eine Chance machen. Die Mittel haben wir, die müssen wir nutzen, und dann wird das gut.

Thomas Sinnwell: Ja. Ich denke auch sehr gerne in Lösungen und tue mir schwer, sehr lange mir immer nur die Probleme anzuhören.

Ammar Alkassar: Ich glaube, das ist auch der Anspruch, den Politik immer haben muss, zu gestalten. Und eben nicht nur zu sagen, um Gottes Willen, da ist wieder was um die Ecke gekommen an neuer Technologie, das kann ganz viele Gefahren bergen.

Thomas Sinnwell: Jetzt haben wir viele Themen gestreift, haben viele gute Aspekte, viele gute Ideen aus dem Buch kurz angeteasert. So als Abschlussfrage möchte ich jetzt von jedem wissen: Was ist denn für dich, für Sie persönlich, so der wichtigste nächste Schritt, den wir gehen müssen, damit das, was da im Buch vorgestellt wird, möglichst schnell in die Umsetzung kommt?

Nadine Schön: Wir müssen anfangen. Also es bringt ja gar nichts, nur schöne Sachen aufzuschreiben, sondern es geht darum, dass wir Sachen umsetzen. Und ich werde oft gefragt, liegt das jetzt seit einem Jahr in der Schublade? Nein, liegt es nicht. Wir haben ganz viele Themen aus diesem Buch in die Umsetzung gebracht, über einige haben wir heute diskutiert. Das sind die digitalen Identitäten, …

Thomas Sinnwell: Ja, das fand ich auch sehr schön, dass wir ein paar Beispiele wirklich hören konnten.

Nadine Schön: … das ist das Thema - genau - Onlinezugangsgesetz et cetera. Aber am Ende brauchen wir ein wirkliches Modernisierungsjahrzehnt. Also einen großen Wurf, wo wir sagen, wir wollen wirklich an die Strukturen ran. Und das muss am Tag 1 der nächsten Legislaturperiode passieren, wer auch immer der Regierung angehört. Ich finde, wir brauchen da wirklich mutige Reformen in Staat und Verwaltung, damit wir besser werden und weniger komplex. Und wir haben ein paar Vorschläge aufgeschrieben, deshalb würde ich mir natürlich wünschen, wir könnten die umsetzen. Wichtig ist das Anfangen, das Umsetzen und nicht klein zu denken, sondern auch in diesem Fall tatsächlich groß zu denken, eine große Vision zu malen, die dann auch zu erreichen. Dann machen auch viele mit. Wir müssen raus aus dem Kleinklein, wir brauchen große Ziele und dann ein iteratives Vorgehen, damit wir sie auch erreichen.

Thomas Sinnwell: Besten Dank!

Ammar Alkassar: Dem kann ich mich wirklich nur ganz anschließen: Einfach machen, Dinge umsetzen. Wir haben das auch im Saarland hier, auch innerhalb des letzten Jahres. Wir haben zum Beispiel ein Digitalisierungsgesetz jetzt in Vorbereitung, bei dem wir nahezu die Hälfte aller Rechtsvorschriften und Gesetze überprüfen, ob wir sie in der Form noch brauchen. Um einfach ein Stück weit die Dinge zu vereinfachen. Ich denke, wir brauchen den Mut, dann auch schnell zu sein, dann auch Fehler vielleicht auch zu akzeptieren, zu schauen, sind das Dinge, die in dem Risiko so vertretbar sind, dass wenn sie auch nicht richtig sind, sich korrigieren zu lassen. Und am Ende des Tages, genau wie die Nadine sagt, wirklich eine Vision zu haben, mit der man Menschen begeistern kann und auch die richtigen Menschen dann mit auch auf diesen Weg mitnehmen, damit diese Dinge auch wirklich umgesetzt werden können. Also am Ende des Tages sind es halt eben die Menschen, egal ob es in der Verwaltung ist, in Politik, Wirtschaft oder in anderen Bereichen der Gesellschaft. Und die muss man motivieren und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Ideen dann umzusetzen.

Thomas Sinnwell: Vielen Dank an beide! Das war ein sehr spannendes Gespräch, hat mir sehr viel Freude gemacht. Und ich hoffe, dass wir das bei passender Gelegenheit auch nochmal fortsetzen können. Besten Dank!

Nadine Schön: Ganz herzlichen Dank!

Ammar Alkassar: Vielen Dank!

 

So! Das war‘s mal wieder für heute. Wir hoffen, wir konnten euch einen kleinen Einblick in dieses umfassende Thema geben und euch auch gut unterhalten. Wie immer haben wir weiterführende Links zur aktuellen Folge für euch in den Shownotes. Und wenn ihr Lust auf mehr habt, dann freuen wir uns natürlich, wenn ihr uns abonniert. Übrigens auf unserem YouTube-Channel gibt’s noch viele ergänzende Infos und Videos zu unseren Podcast-Themen. Klickt einfach rein! In der nächsten Folge, am 7. Oktober, haben wir dann nochmal Tech-Investor Michael Ladendorf zu Gast. Wie immer mit einem spannenden Thema zu „Technik über dem Tellerrand“. Wir freuen uns auf euch!

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